Aufreger der Woche: Wann ist eine Handtasche “zu teuer”?
Ein Freund von mir hat acht (!) Eames-Chairs, original aus den 60ern (!!) mit neuen Mahagoni-Beinen (!!!). Die Stühle sind aus Fieberglas und immer so kühl, dass man Angst hat sich darauf eine Blasenentzündung zu holen. Kosten pro Stuhl: um die 400 Euro. Macht bei acht Stühlen 3200 Euro.
Eine Freundin von uns hat sich gerade von ihrem 2014-Firmen-Bonus ein Bild eines britischen Künstlers gekauft. Darauf zu sehen: Viel Weiß und ein paar bunte Striche. Es ist nur 80×50 Zentimeter groß, hat aber 4500 Euro gekostet – und sieht aus wie die erste Filzstifterfahrung meines kleinen Neffen.
Und noch ein anderer Freund holte sich vor ein paar Jahren einen alten Porsche aus den 70ern, der permanent in die Werkstatt muss, alle zwei Wochen einen neuen Rostfleck hat, aber “für Liebhaber jeden Cent” des vierstelligen Kaufbetrags wert war.
Egal ob Stuhl-Klassiker, Kunstwerk oder Oldtimer – diese Investitionen wurden im Freundeskreis so euphorisch gelobt, als hätten sich die drei ein ökologisches Abwasserwiederverwendungssystem gekauft oder ein lebenslanges Dauerlos der Aktion Mensch.
Als wir neulich dann alle beisammen saßen (natürlich auf den saukalten Eames), erwähnte ich beiläufig, dass ich gerade mit der Twist Bag aus der Cruise Collection von Louis Vuitton liebäugle, die 2400 Euro kostet und eine Once-in-a-lifetime-Tasche ist, die ich sicher noch mit 80 Jahren tragen werde. Stille am Tisch. Dann das Donnerwetter von allen Seiten: “Spinnst Du, Kerstin! 2400 Euroooo? Für sowaaaaas? “Hätte ich erzählt, dass ich den Betrag der Pegida spenden möchte, wäre die Reaktion die gleiche gewesen.
Warum nur wird Mode so viel anders bewertet als andere Luxusgüter? Kauft sich jemand einen guten Rotwein, der das Zehnfache einer Supermarkt-Flasche kostet, gilt er als Genießer. Gönnt sich einer einen luxuriösen Trip, den man auch low budget hätte machen können, heißt es, seine Work-Life-Balance wäre das ja wohl wert. Und kauft jemand ein altes, teures Auto, bejubeln ihn die anderen (die meist selbst keine Ahnung von Autos haben) als weltmännischen Superhengst, der bestimmt noch ganz viel von dieser tollen Investition haben wird. Aber Mode? Also bitte! Bei H&M gibt es doch auch schöne Taschen.
Sicher: Man muss nicht alles bei High Fashion -Designern kaufen oder ein oft überzogenes Preis-Leistungs-Verhältnis unterstützen, wenn Dinge nur deshalb so viel kosten, weil ein gewisses Logo darauf prangt. Aber was, wenn das Teil sein Geld wert ist? Wenn es in einer kleinen, französischen Fabrik handgefertigt wurde statt in einem moralisch höchst bedenklichen Schichtbetrieb in Bangladesch? Und selbst, wenn man diese Karte nicht ausspielen möchte: Warum ist es verwerflich, für Mode Geld auszugeben, während andere teure Anschaffungen als stilvoll bejubelt werden?
Die Twist Bag aus der Cruise Collection von Louis Vuitton ist übrigens ausverkauft. Aber ich werde mir irgendwann von mühsam angespartem Geld eine superteure, superschöne Tasche kaufen, die mich bis ans Lebensende begleiten wird. Von der kriege ich immerhin keine Blasenentzündung. Und rosten kann sie auch nicht.