FOMO-Alarm: Ein Tag ohne Internet – geht das?
Einen Tag offline...Geht das oder dreht man komplett durch?
Letzte Woche habe ich die Zeit um ganze zehn Jahre zurückgedreht. Mit nur einer kleinen Einstellung in meinem Handy: Ich habe das Internet gelöscht! Für 24 Stunden kein Facebook, kein Instagram, kein Google. 1440 Minuten ohne Netflix, Spotify oder Stylight. Das krasseste Experiment meines Lebens – denn ich bin Internet-süchtig, habe mein Handy immer in Sichtweite und nehme es selbst in kleine Räume mit, in denen man normalerweise telefonisch nicht erreichbar sein sollte.
Ich bin ein Smombie und lebe voll nach dem FOMO-Prinzip. FOMO steht für “Fear Of Missing Out”, was soviel bedeutet wie die Angst, etwas zu verpassen. Und diese Angst habe ich. Als Journalistin muss man neugierig sein, sonst wäre man keine gute, aber dass ich so abhängig von Informationen bin, das hätte ich nicht gedacht.
Schon kurz nach dem Aufwachen (natürlich klingelt der Wecker im Handy), will ich Facebook und Instagram checken – so, wie ich es normalerweise jeden Tag tue. Oh, darf ich ja nicht – auch nicht am Computer. Um trotzdem mein nach Informationen hungerndes Hirn zu füttern, muss ich wohl oder übel das Radio anmachen. Nur doof, wenn man ständig BBC Radio 1 übers Internetradio hört. Also hole ich meinen alten Kassettenrekorder aus dem Keller und bekomme endlich ein paar Infos zum heutigen Tag. Wetter, Verkehr, Veranstaltungen in meiner Nähe – alles, was ich sonst mit ein paar Apps checke, wird mir im Nachrichtenüberblick in fünf Minuten über Schallwellen in mein Hirn geblasen. Und die Musik ist natürlich auch nicht schlecht. Ich konzentriere mich sogar richtig darauf und lasse das Gedudel – wie normalerweise – nicht nur nebenbei laufen, sondern höre intensiv zu.
Es ist gut, dass ich mir für mein Experiment einen Samstag herausgepickt habe, denn unter der Woche – an einem normalen Arbeitstag, wäre es undenkbar, ohne Internet zu leben. Wo würde ich denn sonst die ganzen Infos für meine Artikel herbekommen?!
Auf dem Weg zum Morning-Yoga sitze ich in der Bahn und beobachte plötzlich ganz intensiv, was um mich herum passiert. Ich sehe mir die Gesichter der Menschen an, ihr Lachen, ihre Gesten, versuche mir vorzustellen, was sie wohl gerade denken. Ich gucke aus dem Fenster, entdecke ein süßes Café in meiner Nähe, das mir sonst nie aufgefallen wäre und bin überglücklich, die Umgebung mit voller Aufmerksamkeit wahrzunehmen, anstatt nur daran vorbeizurasen und den Kopf gesenkt mit Blick aufs Handy zu halten.
Nach dem Yoga bin ich entspannt – und nehme trotzdem sofort wieder das Handy zur Hand. Komisch, keine Nachrichten? Dabei hatte ich mich doch mit meinen BFFs in der City verabredet. Da fällt es mir ein: die schreiben sicher über Whats App – und das ist für heute streng tabu. Also mache ich das, was ich wohl vor der ganzen Smartphone-Ära auch getan hätte, ich rufe sie an. “Warum schickst du mir keine Nachricht?”, werde ich ganz entsetzt gefragt. Ein echtes Telefonat führen heute nur noch die wenigsten. Meistens funktioniert unsere Kommunikation im Jahr 2016 nur noch über Kurznachrichtendienste und Emojis – um auch etwas Ironie oder Sarkasmus in eine Nachricht zu packen.
Haben wir uns früher mit einem kurzen Call verabredet und sind dann auch pünktlich am besagten Treffpunkt erschienen, wird heute minutenlang hin und her gechattet, um die zu treffenden Personen sogar kurz vor dem Eintreffen noch mit “bin gleich da” übers baldige Erscheinen zu informieren. Warum? Dieses ständige Schreiben hält total auf und schränkt uns in allem ein. Ständig glotzt man auf den Bildschirm. Das wird mir erst bewusst, als ich mit meinen Freundinnen im Café sitze und ich die einzige bin, die nicht dauernd aufs Handy starrt.
Normalerweise würde ich coole neue Online-Shopping-Errungenschaften zeigen oder die neuesten Instagram-Trends präsentieren. Und immer checken, ob der süße Typ von Tinder geschrieben hat, neue Super-Matches auf mich warten oder ob ich für mein letztes Outfit auch genug Likes abgesahnt habe.
Durch das Internet ist das Leben ein ständiges Messen – überall. Doch für mich ist heute nicht das Messen wichtig, sondern das Meeten. Mit meinen Freunden, mit meiner Familie. Und ich nehme es alles ganz bewusst wahr. Ohne ständiges Genörgel von meinem Vater “Leg doch mal das Handy weg!”. Er hat ja recht. Ich hänge normalerweise 24/7 vor dem Display, wische, tippe und scrolle wie verrückt.
Über das Handy bzw. den Laptop bekomme ich eben Wissen direkt und super schnell vermittelt. Da kann kein Lexikon mithalten! Das gestehe ich mir schnell ein. Informationen bekommt man heute direkt und genau in der Sekunde, in der man nach ihnen sucht. Und das ist auch das härteste, was ich an diesem Tag merke.
Ich vermisse es, schnell eine Frage beantworten zu können, sofort nach dem richtigen Weg oder der nächsten Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu suchen und zu checken, wann mein Lieblingsrestaurant aufmacht.
Durch das Internet ist unser Leben schneller geworden – und in vielen Bereichen auch wirklich einfacher. Nur die persönlichen Kontakte werden durch das ständige Glotzen auf das kleine Kästchen gestört. Informationen sind wichtig – und hier möchte ich das Netz auch 0,0 Prozent missen – aber eine gute Unterhaltung braucht Aufmerksamkeit, und die kommt bei vielen Konversationen leider viel zu kurz.
Das hat mir schon dieser eine kleine Tag offline gezeigt. Ich möchte bewusster mit meinen Freunden und meinen Verwandten reden. Und wenn ich dann doch mal eine wichtige News verpasse – morgen wird schon auch irgendwas spannendes passieren!