Warum jetzt alle französisch aussehen wollen – was totaler Quatsch ist
Eines vorweg: Ich habe drei Streifenshirts von A.P.C., die aussehen wie aus dem Spind eines bretonischen Fischers geklaut, höre gerne Songs von Air und bringe einen Sonntag nur sehr schwer ohne ein frisches Pain au chocolat herum. Aber das ist reiner Zufall. Und nichts gegen das, was Modemagazine und Modeblogs gerade veranstalten: Sie untersuchen mit fast wissenschaftlicher Akribie das Erscheinungsbild und Verhalten waschechter Französinnen und werten das Ganze total bierernst aus.
Die Frage “How to look french” liefert bei Google aktuell 845.000.000 Treffer. Beispiele gefällig? “11 tipps how to look parisian pretty”, “French girl beauty secrets”, “The 7 style mistakes french women never make”, “Creating the french look”. Wo diese Besessenheit herrührt? Na, es ist eben gerade kein anderes Mode-Völkchen da, das als Forschungsgegenstand lohnt. Die Isländer sind mit ihren kratzigen Strickpullis und Gummistiefeln halt nicht so spannend. Und kein Mensch, der sich nicht freiwillig auf Pegida-Demos herumtreibt, würde auf die Idee kommen, den Look deutscher Frauen so how-to-look-german-mäßig durchzudeklinieren.
Das Netz ist jedenfalls zum Überlaufen voll mit Tipps, wie man das allseits berüchtigte “Je ne sais quoi” bekommt, diesen perfekt unperfekten Pariser Look. Als Anschauungsobjekte dienen die Mode-Redakteurinnen der französischen Vogue wie Emmanuelle Alt, It-Girls wie Lou Doillon oder Jeanne Damas, als Experten Musen wie Inès de la Fressange. Von ihnen erfährt man dann: Französinnen scheren sich nicht um Trends, sondern tragen, was ihnen steht (macht einen eigenen Stil!), snacken nicht (macht schlank!), haben einen guten Dermatologen (macht Top-Haut!) und waschen sich die Haare höchstens zweimal die Woche, aber immer ohne Conditioner (macht Out-of-Bed-Haare!). Sie schneiden sich den Pony selbst mit der Küchenschere und sehen immer zum Anbeißen aus, auch wenn sie sich nur ein Croissant holen gehen. Oder genauer: Sie sehen immer “fuckable” aus, laut Ex-Model Caroline de Maigret, Autorin des Buchs „How to be parisian wherever you are”.
Und Frauen aus aller Welt machen, was ihnen gesagt wird: Sie ahmen diesen Look nach. Sogar Alexa Chung räumte gerade in der britischen Vogue ein, bei der berühmtesten Wahl-Französin der Welt zu spicken: „Ich frage oft das Internet um Rat, indem ich ,Jane Birkin’ google.” Eine kurze Recherche später ist klar: Das Bastkörbchen, den durchgeknöpften Wildledermini, bullige Pelzjacken und zwei Zöpfe trug Jane schon, als Alexa noch Quark im Schaufenster war.
Keine Frage: Die Birkin war mal eine Granate. Aber es ist doch lachhaft, auf Teufel komm raus französisch wirken zu wollen, wenn man eigentlich aus Seattle, Salerno oder Schweinfurt stammt. Manches hat man nunmal, manches nicht. Und dazu gehört die französische Staatsbürgerschaft (und dieser drollige Akzent, bei dem die Männer scharenweise umfallen). Man muss sich nur mal das dazugehörige Partygespräch vorstellen: „Du siehst so französisch aus – hast du in Paris studiert?” – „Nee, da war ich leider noch nie. Aber die Französinnen sind mein großes Vorbild”! Ah, ja. Wo war nochmal der Wein?
Ich sage euch was: Französinnen haben tatsächlich eine Eigenschaft, die verdammt bemerkenswert ist. Nämlich: Dass sie sich einfach nicht darum scheren, anders sein zu wollen. Und falls doch, dann reden sie nicht dauernd drüber. Und davor kann man sich mal wirklich eine dicke Scheibe abschneiden.